In Budapest, an der Grenze zwischen dem Orczy- und dem Magdolna-Viertel, zeigt der von den Straßen Kálvária, Dugonics, Kőris und Diószeghy Sámuel umschlossene Wohnblock ein sehr gemischtes Bild. Zwischen neuen Wohnbauten wechseln sich 100–200 Jahre alte, abbruchreife Gebäude und Baulücken ab – nur einen kurzen Spaziergang von der Ludovika-Anlage, dem Botanischen Garten und den Kliniken der Semmelweis Universität entfernt. Diese Faktoren machten das Gebiet geeignet, das ambitionierte Science-Park-Projekt der Semmelweis Universität aufzunehmen, das in Konzeption, Funktion und Technologie gleichermaßen zukunftsweisende Lösungen bietet. Über die komplexen Planungen sprach Gábor Vörös, leitender Planer bei CÉH zRt., der als Mitglied eines 20–30-köpfigen Projektteams in den vergangenen knapp vier Jahren unter der Leitung des projektleitenden Architekten und verantwortlichen Planers Ferenc Balogh an dem im Vergabeverfahren gewonnenen Auftrag arbeitete.

Welche Auftraggeber-Intention führte zur Auswahl gerade dieses Blocks entlang der Dugonics utca?

V.G.: Die Semmelweis Universität will in absehbarer Zeit zu den Top-100-Universitäten der Welt gehören. Dafür braucht es neben Lehrgebäuden auch ein wissenschaftliches Zentrum für Forschung – so, wie es an Spitzenuniversitäten wie Oxford, Cambridge, Delft oder MIT üblich ist. Der geplante Gebäudekomplex beantwortet genau diesen Bedarf. Da er geographisch möglichst nahe an anderen Universitätsarealen liegen sollte – auch wegen der „Überlappung“ von Heil- und Forschungstätigkeit – bot sich der erneuerungsbedürftige Block im VIII. Bezirk als Standort an.

Geplant sind vier Gebäude mit drei unterirdischen Ebenen, die sich unter der gesamten Fläche erstrecken. Hauptnutzung sind biotechnologische Labore; hinzu kommen Büros, postgraduale Ausbildung, Bibliothek, Hörsäle und verschiedene Gemeinschaftsbereiche. Die funktionale Komplexität zeigt sich daran, dass die Anordnung unter Einbeziehung der Leiter von 27 Universitätsinstituten entwickelt wurde. Die zwei höheren Gebäude haben sechs, die niedrigeren vier oberirdische Geschosse; insgesamt entstehen rund 60.000 m² nutzbare Fläche, darunter drei zusammenhängende Untergeschosse. Das Erdgeschoss ist durchgängig; seine Decke bildet einen verbundenen Dachgarten mit mehreren Öffnungen, der auch von der Straße aus zugänglich ist. Dies entsprach einer zentralen Vorgabe des Bezirks: Die neu entstehende Grünfläche und Teile der Anlage sollen der Nachbarschaft Freizeitflächen und Dienstleistungen bieten. Auch die Universität beabsichtigt, den Schulen und der Bevölkerung der Umgebung einen verständlichen Einblick in die Gesundheitsforschung zu ermöglichen.


Welche Lösungen sind besonders markant bzw. besonders zukunftsweisend?

V.G.: Selbstverständlich wird der gesamte Komplex sehr energieeffizient: Luft-Wasser-Wärmepumpen decken den Bedarf, die Lüftung erhält Wärmerückgewinnung – heute zum Glück nicht mehr ungewöhnlich. Darüber hinaus enthält das Bauwerk neue, maßgeschneiderte Lösungen. Während der Realisierung kommt auch eine Nachhaltigkeitszertifizierung in Betracht; die Planung ist entsprechend ausgerichtet.

V.G.: Selbstverständlich wird der gesamte Komplex sehr energieeffizient: Luft-Wasser-Wärmepumpen decken den Bedarf, die Lüftung erhält Wärmerückgewinnung – heute zum Glück nicht mehr ungewöhnlich. Darüber hinaus enthält das Bauwerk neue, maßgeschneiderte Lösungen. Während der Realisierung kommt auch eine Nachhaltigkeitszertifizierung in Betracht; die Planung ist entsprechend ausgerichtet.

Fangen wir – wenn ich recht habe – beim Dach an.

Genau. Gründächer sind noch keineswegs Standard, und wir haben den Science Park als sogenanntes „Blue Roof“ geplant. Dabei tragen die Dachflächen nicht nur Vegetation; der Niederschlag wird auch auf dem Dach zurückgehalten und genutzt, statt sofort in die Kanalisation abgeleitet zu werden – um ihn, überspitzt gesagt, später zur Bewässerung „zurückzukaufen“. Die Blue-Roof-Praxis entwickelt sich weltweit noch, doch es gibt erprobte Technologien; auf eine solche greifen wir zurück. Ursprünglich wollten wir ein österreichisches, bewährtes System einsetzen, das größere Wassermengen unterhalb der Gründachschicht speichert, vom Tragwerk getrennt – das hierfür statisch bemessen ist. Die Dichtheit sollte ein elektronisches Leckage-Monitoring überwachen und im Schadensfall das gespeicherte Wasser automatisch in die Regenwasserleitung ablassen und das zu reparierende Segment markieren. In dieser Form ließ es sich aufgrund geltender ungarischer Vorschriften nicht umsetzen, die selbst für Flachdächer ein Gefälle von 2–2,5 % verlangen. Als Kompromiss wählten wir die am stärksten profilierte Dränagebahn am Markt; ihre Sicken speichern weiterhin erhebliche Wassermengen. Das ist weniger als ursprünglich geplant, doch der Großteil des Regenwassers wird so dennoch sinnvoll genutzt. In der Schichtenfolge liegt darunter die Abdichtung, darüber entstehen extensive bzw. intensive Gründächer, deren Vegetation das gespeicherte Wasser nutzt.

Ebenfalls besonders ist die geplante Kombination aus PV-Modulen und Gründach – nicht entweder-oder, sondern gemeinsam auf derselben Fläche. Die Vegetation reicht unter die geneigten Module; deren Unterkante liegt 30 cm über dem Dach. Die als Greensolar bezeichnete Technologie war zunächst als ballastierte Aufstellung konzipiert; infolge von Windsimulationen (dazu gleich mehr) entschieden wir uns für eine mechanische Befestigung mit Aluminium-Unterkonstruktion und möglichst wenigen „Füßen“, um Durchdringungen der Abdichtung zu minimieren. Die Unterkonstruktion wird in die Decke verankert und durchstößt somit die Gründachschichten, Vegetation und Wasserretention.

Welche Neuerungen finden wir unter dem Dach?

V.G.: Weniger üblich ist der Umfang an Simulationen. Für PV sind Ausrichtung und Besonnung wichtig; darüber hinaus führten wir für den gesamten Komplex umfassende Tageslichtsimulationen durch und modellierten die gebaute und natürliche Umgebung. Die Ergebnisse flossen in das Verhältnis von Glasflächen und begrünten Fassaden ein. Gleiches galt für den Innenpark, wodurch wir Pflanzen passend zu den Lichtverhältnissen auswählen konnten.

Wir untersuchten ferner Windrichtungen und mögliche Windkanäle für die PV-Befestigung, da in der Höhe des 6. Geschosses relevante Luftbewegungen auftreten, die bei der Dimensionierung der Unterkonstruktion zu berücksichtigen sind. Dabei kamen die Eurocode-Bemessung sowie die Festlegung von Sog- und Druckzonen zur Anwendung.

Auch die Lärmbelastung wurde simuliert und u. a. bei der Anordnung von Büros und Laboren berücksichtigt. Interessanterweise ergab sich hier das Gegenteil der Tageslichtbetrachtung: Durch die engen Straßen gelangt in die unteren Ebenen weniger Tageslicht, was größere Glasflächen nahelegen würde; die Lärmsimulation zeigt jedoch höhere Geräuschpegel im unteren Bereich, was für geringere Verglasung spräche. Wir entschieden uns letztlich für besseres Tageslicht und erhöhten die akustischen Anforderungen an die Verglasung.

Ebenfalls innovativ und arbeitsintensiv war es, den Anspruch „wärmebrückenfrei“ an der Fassade auf durch die Dämmung hindurchgehende Befestigungselemente und auf Umkehrdächer zu erweitern. Dies folgt aus unserer Haltung und den Erwartungen des Auftraggebers und ist inzwischen auch in einer neuen ÉKM-Verordnung vorgeschrieben – wenn auch noch nicht überall gelebte Praxis. Erforderlich waren zahlreiche Wärmebrückensimulationen sowie der kreative Einsatz geeigneter Befestiger und Abstandhalter bis hin zu Konsolen mit thermischen Trenn-Isolatoren – ohne Kompromisse bei mechanischen Eigenschaften oder Brandschutz.

Wie sind die grünen Fassaden zu verstehen?

Auch hier gehen wir anders vor. Zum einen sind sie von Anfang an grün – jahrelanges Warten entfällt. Die Pflanzen wachsen an einem Seilnetz-Tragsystem empor, wodurch vorgezogene Module montiert werden können. Das System ermöglicht „endlose“ Grünwände und große Freiheit bei der Artenwahl: Wir können blühende Arten für saisonale Akzente einsetzen und – gestützt auf die Tageslichtsimulationen – jede Pflanze den optimalen Lichtverhältnissen zuordnen. Zudem können wir laubabwerfende Arten nutzen, die im Sommer verschatten und im Winter Sonne hereinlassen.

Die Pflanztröge der Grünfassaden liegen zwischen Netz und Fassade, wofür ein Abstand von 60 cm erforderlich ist; von außen sind sie praktisch unsichtbar. Ein automatisches Bewässerungs-, Entwässerungs- und Düngesystem ergänzt das Konzept und lässt sich sogar auf unterschiedliche Pflanzenbedürfnisse programmieren. All dies ermöglicht uns, die Pflanzenwände in einer schachbrettartigen Anordnung im Wechsel mit Glasflächen zu gestalten. Leitprinzip an den Bürofassaden war, dass jeder dahinterliegende Raum auch ein Fensterfeld ohne Begrünung erhält; daraus folgt das „Schachbrett“, das zugleich ein charakteristisches Fassadenbild erzeugt. Neben Verschattung tragen die Grünwände auch zur Lärmminderung bei.

Aus all dem kann—a so hoffen wir—ein in Ungarn wohl außergewöhnliches Projekt entstehen, das sowohl durch seine Komplexität als auch durch seine Forschungsfunktion herausragt. Der in enger Zusammenarbeit mit den exzellenten Fachleuten und Wissenschaftlern der Semmelweis Universität entwickelte Komplex wird den Ansprüchen und Bestrebungen der Universität gerecht. Die Pläne sind fertig, und als Planer würden wir nur zu gern bald den Duft frischer Farbe in Räumen einatmen, die wir virtuell schon hundertfach durchschritten haben.

Dieser Beitrag basiert auf unserem im Magazin Octogon Labor veröffentlichten Artikel.